Medizinphysik-Blog

Keine Angst vor Prüfungen

von Philipp Denger (August 2019)

„Prüfungen sind deshalb so scheußlich, weil der größte Trottel mehr fragen kann, als der klügste Mensch zu beantworten vermag.“ Charles Caleb Colton (1777 - 1832)

Prüfungen begleiten uns ein Leben lang. Das fängt schon in der Grundschule an und hört auch im Berufsleben nicht auf. Das ist auch gut so, denn allgemein in der Medizin und speziell auch in der medizinischen Physik sollen Menschen mit besonderen Qualifikationen arbeiten, die das auch durch Prüfungen unter Beweis gestellt haben.

Aber nicht nur die Fähigkeiten von Menschen sollten überprüft werden. Auch die Geräte, die bei der Diagnostik oder Therapie zum Einsatz kommen, müssen regelmäßig zeigen, dass sie gut arbeiten. Für Geräteprüfungen ist die Medizinphysik grundsätzlich selbst verantwortlich (Qualitätssicherung, Konstanzprüfungen, etc.). Aber vor allem bei so komplexen Geräten wie zum Beispiel CTs, LINACs und Afterloading-Anlagen, bei denen neben der reinen Funktionsfähigkeit auch noch der Strahlenschutz beachtet werden muss, müssen diese Geräte zusätzlich von einem unabhängigen Dritten überprüft werden.

Und an dieser Stelle kommt jemand wie ich ins Spiel. Ich arbeite beim TÜV NORD als Sachverständiger im Strahlenschutz und möchte hier – aus meiner ganz persönlichen Sicht – etwas über die Prüfungen an Strahlentherapie-Geräten erzählen. Die meisten Menschen treffen einen TÜV-Prüfer nur im Rahmen der Führerscheinprüfung oder wenn das Auto eine frische Plakette braucht; beides sind ja nicht ganz so angenehme Situationen. Daher sind die meisten jungen Medizinphysiker erst einmal nervös, wenn es heißt „der TÜV kommt“. Ich hoffe, dieser Text lindert diese Nervosität ein wenig.

Ein wichtiger Punkt gleich zu Beginn: ich prüfe die Geräte und Teile der Dokumentation und nicht die Menschen, die mit den Geräten arbeiten. Dabei geht es hauptsächlich um den Strahlenschutz für die Patienten, die Mitarbeiter (MTA, Medizinphysiker, Ärzte) und die sonstigen Personen (Techniker, Servicekräfte, Anwohner).

Ich bin auch keine „Strahlenschutz-Polizei“, die heimlich ermittelt, ob denn alle Regeln des Strahlenschutzes (und das sind eine Menge!) eingehalten werden. Ich verhänge keine Bußgelder und erstatte keine Anzeigen. Die Prüfergebnisse werden offen besprochen und am Ende erstelle ich einen Prüfbericht, der immer auch an die Aufsichtsbehörde geschickt wird. Diese Behörde kann dann aufgrund des Berichts gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen. Aber die Aufgaben und die Rolle der Aufsichtsbehörden ist ein anderes Thema.

Als Prüfer bin ich selbstverständlich zur Unparteilichkeit und Unabhängigkeit verpflichtet; ansonsten wäre der Beruf für mich auch ziemlich sinnlos und uninteressant. Ich freue mich zwar immer über einen angebotenen Kaffee, aber den Prüfumfang oder das Prüfergebnis kann man dadurch nicht beeinflussen.

Beim Prüfprogramm und beim Prüfumfang bin ich an spezielle Vorgaben (hauptsächlich aus DIN-Normen und Richtlinien) gebunden. Ich prüfe also nicht was mir gerade in den Sinn kommt, sondern habe ein festgelegtes Prüfschema. Trotzdem kann man als Prüfer auch mal mehr in die Tiefe gehen und über das Schema hinaus noch ein paar Dinge abprüfen, wenn zum Beispiel das Gerät ungewöhnliche Auffälligkeiten zeigt und man einen verborgenen Fehler vermutet. Dadurch kann eine Prüfung (in seltenen Fällen) natürlich auch mal etwas länger dauern – dann ist es hilfreich wenn die Zeit für die Prüfung nicht zu knapp bemessen ist und die Patienten nicht schon Schlange stehen im Wartezimmer.

Die Sachverständigenprüfung kann ich kaum alleine durchführen. Ich bin immer angewiesen auf die Mitarbeit vom Servicetechniker und von der Medizinphysik. Denn einerseits muss ich bei der Prüfung verschiedene Zustände des Geräts simulieren, um dadurch bestimmte Sicherheitsabschaltungen zu testen – dabei hilft ein gut geschulter Servicetechniker sehr! Und andererseits muss ich mir einige Dokumente ansehen (zum Beispiel die Aufnahmen zur Qualitätssicherung und das Betriebstagebuch) und auch Testbestrahlungen durchführen. Das ist ohne die Unterstützung durch die Medizinphysik gar nicht möglich!

Das ist auch gerade das Spannende an meinem Beruf. Ich habe mit sehr vielen unter-schiedlichen Menschen zu tun: mit Servicetechnikern, mit Medizinphysikern, mit Behörden und manchmal (bei Neuinstallationen oder Umbaumaßnahmen) auch mit Architekten, Lüftungstechnikern, Brandschützern, Ärzten und Elektrikern.

Außerdem komme ich viel herum und sehe viele unterschiedliche Geräte: von dem Uralt-Gerät, bei dem die Ersatzteile schon nicht mehr geliefert werden können, bis hin zum High-Tech-Produkt der neuesten Generation. Und ich lerne auch zahlreiche Praxen, Kliniken und Abteilungen kennen mit ihren teilweise unterschiedlichen Strategien, die bestmöglichen Therapien mit einem guten Strahlenschutz umzusetzen.

Das alles ist nicht nur sehr interessant für mich. Daran erkennt man auch, dass es sinnvoll ist wenn ab und zu jemand von außen kommt (sei es der Sachverständige oder die ärztliche Stelle oder die Aufsichtsbehörde). Denn mit einem frischen Blick und mit den Erfahrungen aus anderen Häusern ist eine Prüfung sehr hilfreich und überhaupt nicht so scheußlich wie der englische Schriftsteller Colton befürchtet.